Das Mäggisserhore: Wie ein feschere Bergknabe im Fußballstil diesen Tourenbericht – und Sandros Skitourenequipment – rettete
Teilnehmende: Bernadette, Silvan, Sandro, Anita
Leitende: Cornelia
Leute, ich bin in die Jahre gekommen. Woran man dasmerkt? Natürlich NUR daran, dass ich mich freiwillig anbiete, den Tourenbericht zu schreiben. Das Argument, dass ich kleine Kinder zu Hause habe und eigentlich sowieso keine Zeit für rein gar nichts habe, zieht nicht mehr.
Meine Touren wähle ich immer mit Bedacht: Eine Tour pro Jahr mit dem Präsi muss einfach sein. Wenn man schon nicht mehr so oft am Start ist, muss man sich zwischendurch bei den wichtigen Personen zeigen. In so einem Club geht es ja auch immer wieder ein bisschen um «sehen und gesehen werden», seien wir ehrlich. Man will ja einen guten Eindruck hinterlassen, damit man mit einem unterwegs sein will. Das unterschätzt man schnell, sage ich euch. Denn ich muss es ja wissen – ich beschäftige mich auch beruflich mit Alpinismus. Aber alles der Reihe nach.
Am Samstagmorgen war dann kein Mätthu am Bahnhof Spiez. Mist, Plan geplatzt. Aber immerhin stand ein sehr würdiger Ersatz da: Cornelia, die mich schon auf unserer ersten gemeinsamen Tour tief beeindruckt hatte. Sie hatte damals im stockdichten Nebel gekonnt manövriert, als ich längst nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Auch diesmal bewegt sich Cornelia wie ein absoluter Profi – präsentierte uns schon beim Hochlaufen verschiedene Abfahrtsvarianten – und bei frühlingshaften Temperaturen kommen wir ratzfatz im oberen Melchlistall an. Ich denke wieder einmal: Hach, so schön!
Es hätte eigentlich so entspannt weitergehen können, wäre da nicht wieder das Thema des Tourenberichts aufgekommen – und zwar gerade dann, als ich genüsslich in mein Biberli beisse und den hüpfenden Gemschi zuschaue. Ich lasse die übliche Stille, die sich in solchen Momenten aufbaut, gar nicht erst aufkommen und schlage zu: „Ich mach das!“ Kaum ausgesprochen, war auch schon eine tiefe Dankbarkeit meiner Mitstreiter:innen spürbar. Ich lasse das erst mal wirken und dann dämmert es mir: Ich bin ja quasi Expertin, wenn es um Tourenberichte geht! Als eine der Sammlungsverantwortlichen im Alpinen Museum diskutiere ich alle zwei Wochen mit ernster Miene, welche Schenkungsangebote – unter anderem Tourenberichte – kulturhistorisches Potential haben und in die heilige Sammlung des historischen Kulturtempels aufgenommen werden sollten, auf dessen Daten unsere Kulturgeschichte – Weltgeschichte! – geschrieben wird. Ganz viel Druck, sage ich euch.
Dieser Druck breitet sich in mir aus wie ein Hang, der kurz vor einem Schneebrettabgang steht. Sofort steige ich in den nächsten Modus um und gehe auf meine Kolleg:innen zu. „Hey, lasst uns was einfallen, damit es ein cooler Bericht wird! Irgendwas Spannendes muss ja passieren!“ Aber naja, das Team – bestehend aus Sandro, Silvan, Bernadette, Cornelia und mir – ist halt einfach zu professionell. Alle wussten, was sie taten. Also, nichts mit spektakulären Stürzen für den Story-Point.
Auf dem Gipfel angekommen, den wir wegen des fehlenden Schnees zuletzt zu Fuss meisterten, dämmerte es mir langsam: Die Hälfte der Tour war wohl schon vorbei. Und immer noch nichts passiert, was für die Geschichtsbücher taugen würde. Doch plötzlich, als ich mich gerade so richtig in meinem Selbstmitleid suhlte und nicht mal das grandiose Panorama geniessen konnte, passierte es: Ein fescher Bergknabe erschien in meinem Augenwinkel, der mit flottem Skitourengang den Gipfel erreichte. Dann – Trommelwirbel – eine einzige Böe an diesem sonst so windstillen Tag. Und wie aus dem Nichts flog das Fellsäckli von Sandros gemieteter Tourenausrüstung durch die Luft! Ich sah es schon kommen: Wir würden die Felle niemals wiederfinden. Der arme Sandro würde am Montag nervlich total amBoden einem hippen Transa-Mitarbeitenden im Daunenjäggli erklären müssen, dass er das Fell nicht zurückgeben kann. Nein, auch nicht übermorgen.
Doch in einem Moment heldenhafter Eleganz und Schnelligkeit – wie es nur die besten Sportler können – reagierte der fesche Bursche blitzschnell. Er liess die Thermosflasche fallen und jagte dem Fellsack hinterher, als wäre er Mbappé im Sprint. Und er griff zu! In der Luft! Wie Manuel Neuer im Tor. Wahnsinn. Die Felle waren gerettet! Gerettet, und ich dachte nur: Piolet d'Or, du bist hier!
Sandro, keine Sorge. Es war nicht deine Schuld. Du warst nicht unkonzentriert. Es war höhere Gewalt. Und ja, dieser Moment hat alles gerettet. Endlich – eine Story für die Geschichtsbücher!
Auf der Abfahrt, die aufgrund der Verhältnisse genauso ausfiel wie unser Aufstieg, bei dem wir auch auf einen weiteren Aufstieg zum Ochsen verzichteten, fühlte ich mich wie ein junges Gemschi. Der ganze Druck wie weggeblasen. Cornelia gab alles, um uns so viele Sulzhänge wie möglich zu bieten. Dank ihrem Können und ihrer Intuition kamen durchaus ein paar schöne Schwünge hinzu. Danke, Cornelia, es hat sich definitiv gelohnt!
Anita, 22.2.2025
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