Tourenprogramm

Vom Lac Léman in die französischen Berge

SAC-Wanderung vom Genfersee in die französischen Alpen (26. - 27.6.2021)

Leitung: Markus Tanner

Teilnehmende: Madeleine Stöckli, Hanni Maurer, Robyn Hostettler, Véronique Schmitt

Oder die Geschichte der schweissleckenden Almkuh, von mehr oder weniger flachen Wanderwegen und wie Golden Ladies zu neuen Wanderstöcken kommen…

Wir reisen unkonventionell an: mit dem Zug von Bern nach Lausanne, dann mit der Metro nach Ouchy und schliesslich mit dem Schiff nach St. Gingolph. Warum mit Schiff und wie man überhaupt zu einem gültigen Billet für eine Reise inklusive Schifffahrt mittels der SBB App kommt, sind uns Anfangs ein Rätsel. Auf dem Dampfschiff sitzend, mit dem Blick auf den blau grauen Lac Léman blickend, das Gesicht Richtung Sonne und die Haare im Wind wehend, wird uns klar: es ist nicht nur unbeschreiblich schön, hier vergessen wir die Zeit und ziemlich schnell gelingt uns der Ausstieg aus dem alltäglichen Hamsterrad. (s. Bild 1) Die Einzige unter uns, die es tatsächlich geschafft hat das Rundreiseticket per App zu kaufen, erklärt uns die App. Im Café in St Gingolph angekommen teilen wir uns das letzte Pain au Chocolat was es da noch gibt (vier Teile bitte!) und geniessen einen Kaffee.

Wann geht's los: T3 nach Lac de Taney - wir kommen! Zuerst geht's nach Vouvry-Dorf und dann steigen, steigen und steigen wir: 4 Golden Ladies - Hanni, Madeleine, Robin und Véronique mit ihrem Wanderleiter Markus. Die älteren unter uns sind die fittesten, die Jüngsten sind inspiriert: so will ich über die nächsten 10 Jahren auch wieder fit werden. Gemeinsam ist es nicht die erste Tour und es macht Spass. 500 Meter Höhenmeter steil bergauf und gegen Miex wird es schliesslich wieder flacher. Wir sind jetzt auf 1080 m und steigen auf eine Lichtung mit Sicht auf den Genfersee. Herrlich. Hier wird zum Mittag gegessen. Wir packen aus und möchten loslegen - währenddessen nicht weit entfernt, locker aber entschieden, die einzige Kuh dieser Weide sich unserer kleinen Gruppe nähert. Wir beraten und ziehen uns etwas zurück: Genferseesicht ade - aber dafür volle Sicht auf, ich nenne sie mal, Bertha. Sie folgt uns, wir stellen unsere Stöcke auf. Bertha stellt sich davor, wir hängen unsere verschwitzten Tops auf die Stöcke. Bertha nähert sich weiter und dann passiert es: Bertha leckt und schmatzt jetzt alles was sie kann. Igitt. Sie hört einfach nicht mehr auf bis Markus und eine unserer Ladies, die Tierärztin ist - uns diese schweissleckende Bergkuh etwas vom Hals schaffen (s. Bild 2). Wir essen noch fertig, ich verpacke meine Tops und bald geht es weiter.

Markus erklärt: «Ladies, ihr habt den anspruchsvollsten Teil für heute geschafft. Jetzt geht es mehr oder weniger flach weiter» (s. Bild 3). Möglicherweise waren wir etwas zu viel in Gespräche verwickelt und haben das mehr oder wenige Flache nicht kommen sehen: auf einmal stehen wir vor einer an der Bergwand fixierten Leiter. Es geht also gerademal vertikal über gefühlte 10 Meter hoch (s. Bild 4). Aber für uns Golden Ladies überhaupt kein Thema: trotz Rucksack und nassen Schuhsohlen schafft jede von uns das problemlos. Weiter geht's dann tatsächlich mehr oder weniger flach. Am Ausgang dieses Waldes bemerken wir das Schild für den uns entgegenkommenden Verkehr (s. Bild 5). Aha, verstehe.

Der letzte Effort für den ersten Tag steht nun an. Im Zickzack geht es nochmals 400 Höhenmeter hoch bis zum Lac de Taney.  Es ist heiss, wir trinken. Es wird zu viel, wir nehmen's etwas lockerer. Jede geht in ihrem Rhythmus. Und Schritt für Schritt, teils im leicht meditativen Zustand erreichen wir unser Ziel. Zuerst die Chapelle du Lac de Taney, dann die sattgrüne und wilde Flora und Fauna und schliesslich den Bergsee: blau, leicht türkis und sehr ruhig (s. Bild 6). Wir verweilen kurz auf der Terrasse vom Refuge de Gramont, nehmen ein Erfrischungsgetränk und geniessen den wunderbaren Früchtekuchen. Wir erhalten unser Zimmer, bedecken die Betten und möchten schnell zu einem der wohl klarsten, chilligsten und um diese Zeit menschenleersten Seen der Gegend. Zwei von uns geniessen das Schwimmen im See (s. Bild 6a), die anderen reden und erzählen und Markus ist beeindruckt. Ist das Wasser doch etwas mehr als kalt, jedenfalls meint er. Das Bergrestaurant ist top: die Küche ist so fein und der Humagne rouge schmeckt uns allen. Alle geniessen die gemeinsame Zeit: fünf sehr authentische Menschen. Das Gespräch ist ungezwungen und sehr unterhaltsam, alle hören echt interessiert zu und jede erzählt etwas von sich. Die Truppe wächst noch mehr zusammen. Im Zimmer später - man hört nichts - die Nacht ist megafriedlich. Ich glaube diese Truppe ist fürs gemeinsame wandern einfach gemacht.

Am 2. Tag geht es relativ früh los. Am Frühstückstisch sind wir alleine, danach entlang des Baches in Richtung Cornettes de Bise ebenfalls. Wir entdecken die wunderbare Flora Richtung «Les Esserses»: einige der Ladies und Markus beratschlagen. Ich höre zu und lerne. Meine Lieblingspflanze ist definitiv die Küchenschelle oder Schwefelanemone auch noch Pulsatilla genannt, ich notiere mir den Namen. Bald ersetzen grösser werdende Schneefelder die wilden Blumenfelder (s. Bild 7). Wir machen eine kurze Verschnaufpause und gehen gezielt, sehr konzentriert und den Fuss richtig aufsetzend über den Schnee. Eine hinter der anderen jeweils in Markus' Fussstapfen. Wer nicht konzentriert ist, kann abrutschen und das wollen wir definitiv nicht. Das grössere Schneefeld über die Chaux du Milieu liegt vor uns und wir fragen uns wie lange wir wohl brauchen werden. Markus behält Recht: ungefähr 45 Minuten später sind wir oben. Da bietet sich uns ein sehr spektakuläres Ereignis. Eine ganze Gruppe von wenigstens sechzehn bis vielleicht zwanzig Gänsegeiern kreisen über uns (s. Bild 8). Wir vermuten sie starten irgendwo an der Felswand der Cornettes de Bise. Wir liegen im wilden Gras auf dem Rücken und reichen uns den Feldstecher. «Wow…. Unglaublich… wie schön!», finden wir, eine nach der anderen so wie wir den absolut majestätisch aussehende Unterflügelseite dieses grossen Brutvogels der Alpen bewundern. Ein einzigartiger Moment.

Nun geht es weiter auf den Pass der Cornettes de Bise. Der Gipfel befindet sich in Frankreich und hierfür müssen wir nochmals 180m hoch und kurz über eine selbstgestampfte Schneefeldleiter. Wir kommen an (s. Bild 9 + 11). Auf 2431m lassen wir unsere Wanderstöcke auf einen gemeinsamen Haufen fallen und geniessen gleich die atemberaubende Sicht auf den Lac Léman. Montreux rechts und Lausanne viel weiter links. Wir beobachten wie die Autobahn aus Bern und Fribourg kommend ab Châtel-St-Denis sich schön sichtbar bis nach Vevey hinunter schlängelt. Wir sind sehr zufrieden und geniessen unsere Brote und Früchte. Einige sind aber auch ziemlich ermüdet. Wir wundern uns schon wieviel Energie die Konzentration über die Schneefelder uns abverlangt hat. Ich mache die Augen zu und döse vor mich hin. Ein genialer Moment.

Wir müssen wieder los: nach unserem Aufstieg von 1000m steht der Abstieg von 1400m an. Der Schwierigkeitslevel von T3 bleibt. Wir sind also wieder gefordert. Und dann stellen wir fest: die Wanderstöcke einer unserer Ladies sind nicht mehr da. Entrüstung und Diskussion: wer macht denn sowas? Ausserdem waren sie auf Mass gemacht. Es hilft nichts: wir sind noch alleine oben und es bleiben ein paar federleichte Karbonstöcke. Unsere Lady muss die nehmen. Es gibt eine weitere Entrüstungsrunde aber wir müssen los. Die kurze Schneeleiter wieder runter und dann über Geröll, ein ganzes Stück weiter bis über den Col de Verne runter nach Miex. Es wird anstrengender, wir sind schon etwas müde, die einen mehr, die anderen etwas weniger. Und wir helfen uns abwechselnd mit Geschichten und Gesprächen alternativ zu weiteren meditativen Gängen. Viel bleiben wir nicht stehen, wir müssen das einzige Postauto von Miex nach Vouvry erwischen und möchten nicht auf das gemeinsame Apéro verzichten. Es gilt also zu treten. Es wird dann auch etwas lang, aber zusehends merken wir, wir erreichen wieder eine andere Fauna und Flora und es begegnen uns wieder mehr Menschen. Und tatsächlich schaffen wir es gute 45 Minuten vor Abfahrt des Postautos im Restaurant «Chardon Bleu» unser gemeinsames Apéro zu geniessen. Das Thema der gestohlenen Wanderstöcke drängt sich wieder auf: wer macht denn sowas? Trotzdem wir sind stolz über das was wir geschafft haben und schauen uns unsere Fotos an: Tatsächlich hatten wir unsere Wanderstöcke auf einen Haufen geschmissen. Nur, das erste Paar Wanderstöcke ganz unten drunter gehörte nicht uns… Wir stutzen nicht schlecht und können nur noch Tränen lachen (s. Bild 10).

Was wohl die anderen Wanderer dazu meinten, dass jemand ihre Stöcke geklaut haben soll?

Wir gehen auf den Bus und fahren mit Zug und diesmal ohne Schiff direkt und glücklich nach Bern, das neue Paar Wanderstöcke inklusive.

Wenn sie also am Sonntag 27. Juni ihre Stöcke auf Cornettes de Bise vermisst haben und es mit einem anderen Paar ersetzen mussten, melden sie sich für den Tausch bei unserem Tourenleiter. 

Véronique Schmitt

25.7.21